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Sprache und Diskriminierung

„Oppressive language does more than represent violence; it is violence; does more than represent the limits of knowledge; it limits knowledge.“

„Die Sprache der Unterdrückung stellt mehr als Gewalt dar. Sie ist Gewalt. Stellt mehr als nur die Grenzen des Wissens dar. Sie begrenzt Wissen.“

(Toni Morrison, 1993: Nobel Lecture)

Was über wen geschrieben wird, formt und verfestigt gesellschaftliche Machtverhältnisse. Sprache formt das Denken und wie Menschen wahrgenommen werden. Sei es ein sexistischer, rassistischer, xeno-, homophober  oder behindertenfeindlicher Gebrauch von Sprache. Sprache ist zugleich wandelbar und er_weitert Formen von Wissen.

Zahlreiche Leitfäden, die Handlungsanweisungen, Hinweise oder Alternativen beinhalten bestehen bereits und tragen zu einem diskriminierungsfreien, mindestens aber diskriminierungsarmen Sprachgebrauch bei.

Das GWI stellt im Folgenden eine Auswahl an Leitfäden zusammen, deren Schwerpunkte gendergerechter, rassismuskritischer und inklusiver Sprachgebrauch sind. Die Sammlung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Bei der Auswahl wurde auf folgende Punkte geachtet: lösungsorientierter und intersektionaler Ansatz, Bezug zur Praxis und geringer Umfang der Arbeit. Nicht alle Kriterien konnten in allen Leitfäden erfüllt werden.


Auf Augenhöhe
Leitfaden zur Darstellung von Menschen mit Behinderung (für Medienschaffende)

Inhalt:
Menschen mit körperlichen Beeinträchtigung oder kognitiven Lernschwierigkeiten werden durch ihr soziales Umfeld be-hindert. So sind sie entweder Opfer oder werden zu Helden_innen zelebriert. Oft werden sie als geschlechtsneutral gezeichnet. Um dem entgegenzuwirken, bietet der Leitfaden „Auf Augenhöhe“ einige Tipps zur gleichwertigen Darstellung von Menschen mit Behinderung. Tabellarisch wird auf die gängigsten Formulierungsfehler verwiesen und eine alternative Form gegenübergestellt.

Auch auf der visuellen Ebene bietet der Leitfaden Tipps, um Menschen mit Behinderungen als handlungsfähige Subjekte zu portraitieren, wie z.B. die Normalsicht statt der Vogelperspektive.

Zielgruppe:
Primär richtet sich der Leitfaden an Medienberichterstatter_innen.

Jenseits davon ist er jedoch für alle empfehlenswert, die an einem hilfreichen Einstieg in eine zumindest medial inklusive Gesellschaft interessiert sind.

Bewertung:
Zwar reißt der Leitfaden kurz an, dass Menschen mit Behinderung nicht geschlechtsneutral sind und dass ihre Erfahrungen und Perspektiven als Frau* oder Mann* unterschiedlich erlebt werden. Gänzlich zu kurz kommt leider eine intersektionale Perspektive auf das Thema Inklusion.

Quelle:
Beauftragte der Bundesregierung für die Belange behinderter Menschen (Hrsg.) (o.J.). Auf Augenhöhe. Leitfaden zur Darstellung von Menschen mit Behinderung für Medienschaffende:

http://leidmedien.de/leitfaden-auf-augenhoehe/


Buch der Begriffe
Sprache Behinderung Integration

Inhalt:
Meinen wir Barrierefreiheit und sprechen von behindertengerecht? Wo liegen die Unterschiede? Sind behinderte Menschen weniger Wert als Menschen ohne Behinderung?

Dieses Nachschlagewerk hat die Besonderheit, dass Begriffe nicht alphabetisch, sondern thematisch in ihrem jeweiligen Kapitel zugeordnet sind. Somit werden sie in ihrem dazugehörigen Kontext nachvollziehbar.

Zielgruppe:
Interessierte Öffentlichkeit

Bewertung:
Das Nachschlagewerk ist umfasst eine Länge von 130 Seiten. Die Deutungshoheit der Begriffe liegt sowohl bei Menschen mit Behinderung, als auch ohne.

Quelle:
Integration: Österreich (Hrsg.) (2003): Buch der Begriffe. Sprache Behinderung Integration.

http://www.inklusiv-wohnen.de/files/Buch_der_Begriffe.pdf


ÜberzeuGENDERe Sprache
Leitfaden für eine geschlechtersensible und inklusive Sprache

Inhalt:
Mitgemeint ist nicht mitgedacht.

Sprache spiegelt unser Denken und unsere Wahrnehmung wider. So werden Frauen* immer mit-gemeint aber nicht mitgedacht.

In diesem Leitfaden werden insgesamt 5 Herangehensweisen aufgelistet, wie ein sensibler Sprachgebrauch umgesetzt werden kann. Auf der Darstellungsebene sind die Inhalte übersichtlich und illustrativ verpackt. Leser_innen bekommen auch einen Einblick in den gendersensiblen Sprachgebrauch mit englischen Begriffen.

Zielgruppe:
Primär richtet sich dieser Leitfaden an Studierende.

Bewertung:
Dieser Leitfaden sticht besonders hervor, weil er Kontext und Adressat_innen berücksichtigt. Last but not least: Argumentationsstrategien für eine Diskussion mit Menschen, die die Macht der Sprache und ihre reale Auswirkung ignorieren.

Quelle:
Annelene Gäckle (2014): ÜberzeuGENDERe Sprache. Leitfaden für eine geschlechtersensible und inklusive Sprache.
http://www.gb.uni-koeln.de/e2106/e2113/e5726/2014_Leitfaden_UeberzeuGENDEReSprache_11032014.pdf

 


Inter* und Sprache
Von » Angeboren« bis » Zwitter«

Inhalt:
Ohne positives Sprache lässt sich kein positives Selbstbild entwickeln.
Vor diesem Hintergrund sammelt der Leitfaden respektvolle, emanzipierende und wertschätzende Begriffe für Inter*. Auf der anderen Seite benennt er klar jene Begriffe, die unpassend und/oder diskriminierend sind.


In alphabetischer Reihenfolge werden die einzelnen Begriffe erklärt und je nach ihrem emanzipativen Potenzial kritisch eingeordnet. Die grafische Gestaltung mit kleinen Überblickskästen, in denen die wichtigste Kritik und eine Einordnung nach einem Punktesystem erfolgt, ermöglichen es geeignete Begriffe besonders schnell von ungeeigneten zu unterscheiden. So wird z.B. „Inter*“ als Begriff aus der Menschenrechtsbewegung empfohlen, während „DSD – Disorders of Sex Development“ ein pathologisierender Begriff aus der Medizin kritischer verwendet werden sollte.

Zielgruppe:
Interessierte Öffentlichkeit

Bewertung:
Eine übersichtliche Einführung zu den wichtigsten Begriffen. Die Einordnung und Kritik wird von Inter* selbst vorgenommen.

Quelle:
TrIQ-Projekt » Antidiskriminierungsarbeit & Empowerment für Inter*« (Hrsg.) (2015): Inter & Sprache — Von » Angeboren « bis » Zwitter « http://www.transinterqueer.org/download/Publikationen/InterUndSprache_A_Z.pdf


Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch
Handreichung für Journalist_innen

Inhalt:
Die Markierung von Personen als ‚Anders‘ ist der Beginn von Ausgrenzung und Rassismen: Wenn der s.g. Migrationshintergrund zum Vordergrund wird und deviantes Verhalten ausschließlich „Hintergründler_innen“ zugewiesen wird. Wenn das Wort "Farbige_r" analog zu Schwarze_r benutz wird. Wenn die kopftuchtragende Frau ohne Gesicht gezeigt wird. In diesen Leitfaden werden rassistische Spielarten dargestellt und zusätzlich in ihren jeweiligen historischen Kontexten verortet.

Zielgruppe:
Primär richtet sich der Leitfaden an weiße Journalist_innen, die durch ihre Berichterstattung eine entscheidende Rolle spielen.

Bewertung:
Der Leitfaden ist mit 68 Seiten sehr umfangreich und an erster Stelle problem-, statt lösungsorientiert. Die Sprecher_innenposition ist im Leitfaden sichtbar: nicht-weiß, nicht-eurozentrisch. Trotz der wichtigen Positionierung bleiben queere Perspektiven zu den jeweiligen Themen unsichtbar.

Quelle:
AntiDiskriminierungsBüro/ Öffentlichkeit gegen Gewalt e.V. (2013): Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch. Handreichung für Journalist_innen
http://www.adb-sachsen.de/tl_files/adb/pdf/Leitfaden_ADB_Koeln_disfreie_Sprache.pdf


Fair-Sprech“//@:_*

Inhalt:
Ähnlich wie beim Leitfaden für einen rassismuskritischen Sprachgebrauch, befasst sich dieser Leitfaden mit einem intersektionalen Zugang zu Sprache. Er fächert die verschiedenen –Ismen auf und stellt die machtvolle Komponente von Sprache deutlich heraus.

Zielgruppe:
Interessierte Öffentlichkeit

Bewertung:
Der Verfasser des Leitfadens macht seine Position klar: weiß, cis-Mann und ohne Migrationsgeschichte. Ein Alleinstellungsmerkmal des Leitfadens ist Thematisierung von Klassismus.

Quelle:

S.Müller (o.J.): Fair-Sprech:
http://www.fair-sprech.de/


Schöner schreiben über Lesben und Schwule
Ein kollegialer Leitfaden für Journalistinnen und Journalisten

Inhalt:
Wenn der Begriff Homosexualität nur auf schwule Männer begrenzt ist oder die sexuelle Orientierung stets eines Bekenntnisses bedarf - Diese und weitere Vorstellungen werden in der Berichterstattung über Lesben und Schwule im Leitfaden vom Bund Lesbisch-Schwuler Journalist_innen thematisiert.

Er zeigt zum Beispiel auf, dass Begriffe wie „Homo-Verdacht“ oder "Homosexuellen-Milieu“ eine diskriminierende Konnotation haben und führt im Anschluss Vorschläge an, wie eine angemessenere Bezeichnung funktionieren kann.

Schließlich ist ein Glossar beigefügt, das Begriffe alphabetisch von Asexualität über Genderfluid bis hin zu Tunte erläutert.

Zielgruppe:
Hauptsächlich richtet sich der Leitfaden an Journalist_innen.

Bewertung:
Die Broschüre ist kurz und pointiert. Der Leitfaden ist sowohl problem-, als auch lösungsorientiert und trägt mit Formulierungsvorschlägen zu einem anti-diskriminierenden Sprachgebrauch bezüglich der Vielfalt von sexueller Identität bei.

Quelle:
Klaum, Ulli & Martin Munz (2013): Schöner schreiben über Lesben und Schwule. Ein kollegialer Leitfaden für Journalistinnen und Journalisten:
http://www.blsj.de/uploads/Schoener-schreiben-ueber-Lesben-und-Schwule_BLSJ-Leitfaden_2013.pdf


Trans* in den Medien

Inhalt:
Die Darstellung von trans* Menschen in den Medien ist allzu oft pathologisierend und führt an deren Lebensrealitäten vorbei. Wie dies anders sein könnte zeigt dieser Leitfaden, der ausgehend von good und bad practice Beispielen konkrete Ratschläge zur kompetenten Berichterstattung gibt. Dazu gehören zuallererst: die richtige Ansprache, die Trennung zwischen sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität sowie die Anerkennung der geschlechtlichen Identität der trans* Person.

Journalist_innen werden ermutigt trans* Menschen als Expert_innen hinzuzuziehen und genau hinzusehen, d.h. trans* Menschen in ihrer Individualität sowie auch unter Einbezug potenzieller anderer Diskriminierungserfahrungen wahrzunehmen. Am Schluss folgt eine Materialien- und Linkliste, sowie ein Glossar mit den wichtigsten Begriffen.

Zielgruppe:
Journalist_innen

Bewertung:
Praxisorientierter, anschaulicher Leitfaden mit vielen weiterführenden Materialien; von der Interessenvertretung TransInterQueer e.V. herausgegeben.

Quelle:
TransInterQueer e.V., Leo Yannick Wild (v.i.S.d.P.) (2014) Trans* in den Medien. Informationen für Journalist_innen. http://www.transinterqueer.org/download/Publikationen/TrIQ_Journalist_innen-2.%20Aufl.-web%282%29.pdf